Wenn ich nicht einschlafen kann, lese ich mich müde oder rede mit Gott. Manchmal haben wir uns alles gesagt, und ich bin immer noch munter. Dann zähle ich die Nachbarn, die in unserem Haus mit zwei Seitenflügeln wohnen. Alter Schwede! Ich hätte nicht vermutet, dass hier soviele Menschen hineinpassen. Man bräuchte drei Reisebusse, um alle wegzubringen. Nicht zu glauben, wieviele Tiere auch noch auf jeder Etage wohnen. Nehmen wir nur unser Stockwerk: drei Hunde, drei Katzen, ein Hamster. Und so geht es die Treppen rauf und runter.
Eigentlich ist das gar nicht nur ein Haus; eher ein ganzes Dorf. Ich glaube, im Elterndorf wohnen weniger Menschen als hier. Ein bisschen beengend. Ich will auf ein echtes Dorf! Aber hier gibt es auch alles, was in ein Dorf gehört: Eine mittelprächtige Kneipe, eine Kita, einen Schriftsteller mit Fahne im Hinterhaus. Rentner, Professor, Schauspieler, Zahnärztin, Maler, Punk, Kinder Kinder. Einen, der die ganze Nacht das Licht brennen lässt und den ich schon fragen wollte, ob er nicht mal Gardinen haben will – sein Licht scheint mir trotz unserer Gardinen genau inne Birne. Es gibt den Lärm, früh halb sieben, wenn die Müllmänner, schadenfroh, mit den Tonnen poltern. Lustgestöhn, Festeklirren, Fernsehflimmern. Im Erdgeschoss am Morgen Geschrei, wenn die Kinder in der Kita abgegeben werden. Und die – verlässlich wie Unkraut – über den Zaun-Gucker haben wir auch.
Wieviele Häuser stehen in Berlin? Jedes verbirgt ein kleines Dorf. Und allen fehlt der weite Himmel.